Wir möchten auf dieser Seite berichten, was aus den Preisträgern des Menschenrechtspreises der deutschen Sektion von Amnesty International geworden ist.
2024: Fischer*innen-Organisation FEDEPESAN, Kolumbien
FEDEPESAN (Verband für traditionelle Fischerei, Umweltschutz und Tourismus im Departamento Santander) setzt sich seit 2019 für den Schutz der Flüsse und Feuchtgebiete sowie der Lebensweise der Fischer*innen der Region ein. FEDEPESAN dokumentiert Umweltverschmutzungen, organisiert Demonstrationen, führt Reinigungsaktionen durch und leistet Lobbyarbeit bei den zuständigen Behörden. Die Organisation geht auch juristisch gegen den staatlichen Ölkonzern Ecopetrol vor, den sie für die Verschmutzung der Feuchtgebiete in der Region mitverantwortlich macht. Die Verfahren hierzu laufen noch.
Trotz den großen Gefahren, denen die Mitglieder von FEDEPESAN ausgesetzt sind, wozu sowohl Morddrohungen als auch tätliche Angriffe zählen, setzen sie ihr Engagement unermütlich fort. Yuly Velásquez, Präsidentin der Organisation, sagte Amnesty International hierzu: “Unsere Arbeit ist noch nicht beendet. Wir träumen davon, unsere Flüsse und Feuchtgebiete schützen zu können, damit sie auch künftigen Generationen Nahrung und eine gesunde Umwelt bieten.” Weitere Informationen finden Sie hier.
2022: Äthiopischer Menschrechtsrat (EHRCO), Äthiopien
Der EHRCO setzt sich seit über 30 Jahren für die Einhaltung der Menschenrechte in Äthiopien ein. Die Mitarbeitenden untersuchen Menschenrechtsverletzungen, ermöglichen Rechtsberatung für Betroffene und engagieren sich in der Menschenrechtsbildung.
Der Ausbruch des bewaffneten Konflikts 2020 im Norden des Landes, vor allem in der Region Tigray, hat die Menschenrechtslage in Äthiopien wesentlich verschlechtert. Der EHRCO und Amnesty International dokumentieren seit Beginn des Konfliktes schwere Menschenrechtsverletzungen durch alle Konfliktparteien. Dabei handelt es sich um Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, Kriegsverbrechen und in einigen Fällen möglicherweise auch um Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der EHRCO und andere unabhängige Menschenrechtsorganisationen sowie Journalistinnen und Journalisten müssen weiterhin mit Schikane und Repressalien rechnen, wenn sie über den Konflikt berichten. Weitere Informationen finden Sie hier.
Am 5. Januar 2023 wurden vier EHRCO-Mitarbeitende festgenommen, als sie Zwangsräumungen untersuchten. Der EHRCO vermutet, dass die Räumungen aufgrund ethnischer Zugehörigkeiten erfolgen und die Bewohner*innen weder konsultiert noch benachrichtigt wurden, sodass sie die Abrisse weder anfechten noch verteidigen konnten. Die Mitarbeitenden wurden zwar wieder freigelassen, es wurde jedoch ein Verfahren gegen sie eingeleitet. In dem Verfahren wird ihnen vor allem vorgeworfen, eine Polizeiwache fotografiert und keine Genehmigung für die Arbeit in der Region zu haben. Der EHRCO erwidert jedoch, dass Fotografieren für ihre Arbeit unerlässlich sei und sie zudem keine Genehmigung für ihre Arbeit benötigen, da sie über eine Lizenz verfügen, um Menschenrechtsverletzungen im ganzen Land zu untersuchen, zu dokumentieren und zu melden. Der EHRCO sieht in dem Verfahren einen Vorwand, um die Menschenrechtsermitler*innen einzuschüchtern. Im Februar 2023 wurden zudem in das Büro des EHRCO eingebrochen und ein Laptop gestohlen. Laut Aussage des EHRCO ist dieser Einbruch kein Einzelfall, sondern Teil einer systematischen Einschüchterung durch die Regierung. Trotz der persönlichen Gefahren, die die Arbeit für die Mitarbeitenden des EHRCO mit sich bringt, setzen sie sich auch weiterhin unermüdlich für die Menschenrechte in Äthiopien ein. Weitere Informationen finden Sie hier.
2020: Seenotrettungscrew Iuventa10
Rund 200 Crewmitglieder arbeiteten zwischen Juli 2016 und August 2017 ehrenamtlich auf dem Rettungsschiff “Iuventa” und retteten mehr als 14.000 Menschen aus Seenot. Im August 2017 beschlagnahmten die italienischen Behörden das Schiff. Anschließend leiteten sie Ermittlungen ein. Zehn Crewmitglieder aus Deutschland, England, Spanien und Portugal, die als “Iuventa10” bekannt wurden, stehen im Fokus der Ermittlungen. Die Zehn werden beschuldigt, Behilfe zur illegalen Einrese während der Rettungseinsätze 2016/2017 begangen zu haben. Weitere Informationen finden Sie hier.
Im Oktober 2020 forderte die UN-Sonderberichterstatterin zur Lage von Menschenrechtsverteidigern, Mary Lawlor, die Einstellung der strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Seenotretterinnen und Seenotretter. Weitere Informationen finden Sie hier.
Am 21. Mai 2022 begann das Vorverfahren gegen die Seenotretterinnen und Seenotretter der Iuventa-Crew in Trapani, Italien. Den vier deutschen Crewmitgliedern drohen in Italien bis zu 20 Jahre Gefängnis. Amnesty International fordert, das Verfahren gegen die Iuventa-Crew und andere Seenotrettungsorganisationen sofort einzustellen. Weitere Informationen finden Sie hier.
2018: Nadeem-Zentrum für Folteropfer, Ägypten
Das Nadeem-Zentrum dokumentiert seit 25 Jahren Folter durch ägyptische Sicherheitskräfte und betreibt die einzige Spezialklinik zur Behandlung Überlebender von Folter und Gewalt im Land. Seit 2016 gehen die Behörden massiv gegen die Organisation vor. Die Konten der Organisation wurden vorübergehend eingefroren und zwei der Gründerinnen wurden mit Ausreiseverboten belegt Im Februar 2017 wurde die Klinik des Zentrums geschlossen. Doch trotz aller Repressalien setzen sich die Gründerinnen Dr. Aida Seif al-Dawla, Dr. Suzan Fayad, Dr. Magda Adly und die anderen mutigen Mitarbeitenden des Zentrums ihre Arbeit fort. Weitere Information finden Sie hier.
Dr. Suzan Fayad wird von Filiz Polat mit einer Patenschaft im Programm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ des Bundestages unterstützt. Filiz Polat ist parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, die in ihrer Fraktion zuständig ist für Migrations- und Flüchtlingspolitik mit dem Schwerpunkt auch auf der Versorgung von traumatisierten Geflüchteten, Folter- und Traumaopfern. Schwerpunkt der Patenschaft ist die konkrete Hilfe für Dr. Suzan Fayad. Darüber hinaus soll durch das Programm aber auch Aufmerksamkeit geschaffen und aufrechterhalten werden für die Menschenrechtslage in Ägypten allgemein. Weitere Informationen finden Sie hier.
2016: Henri Tiphagne, Indien
Henri Tiphagne ist Gründer der Menschenrechtsorganisation People’s Watch. Die Organisation kämpft seit mehr als 20 Jahren für die Menschenrechte in Indien. Sie hat Fälle von Folter und Tötungen durch die Polizei aufgedeckt, bietet Rechtshilfe für Opfer von Menschenrechtsverletzungen und fördert Menschenrechtsbildung an Schulen. People’s Watch steht jedoch auch unter großem Druck. 2012 ordnete die indische Regierung eine Finanzprüfung der Organisation an. Obwohl die Behörden keinerlei Verstöße feststellen konnten, wurden die Konten sechs Monate lang eingefroren – drei Mal in Folge. People’s Watch sah sich deshalb gezwungen, zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entlassen und ein Rehabilitationszentrum für Gewaltopfer zu schließen. Weitere Informationen finden Sie hier.
Trotzdem setzt sich Tiphagne mit seiner Organisation weiterhin unermüdlich für die Menschenrechte in Indien ein. Z.B. beschäftigte sich der Madras High Court im Juli 2024 mit einer Petition von Tiphagne, in der er die Wiederaufnahme der von der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) abgeschlossenen Untersuchung von Schüssen auf Demonstranten im Bezirk Tuticorin in Tamil Nadu im Jahr 2018 forderte. Durch die Schüsse waren 13 Menschen gestorben und mehrere schwer verletzt worden. Die Demonstranten hatten die Schließung der Kupferschmelze aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Umweltverschmutzung gefordert. Das Gericht stellte fest, dass die Untersuchung nicht fair durchgeführt wurde und wies außerdem die staatliche Aufsichts- und Korruptionsbekämpfungsbehörde (DVAC) an, das Vermögen aller Beamten, die zum betreffenden Zeitpunkt im südlichen Distrikt stationiert waren, zu untersuchen. Weitere Informationen finden Sie hier.
2014: Alice Nkom, Kamerun
Die Anwälting Alice Nkom gründete 2003 ADEFHO, die erste Nichtregierungsorganisation Kameruns, die sich für den Schutz und die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen (LGBTI) einsetzt.
Im Jahr 2013 wurde der Dokumentarfilm “Born This Way” von Shaun Kadlec und Deb Tullmann veröffentlicht. Der Film schildert die Situation von LGBTI-Personen in Kamerun und enthält mehrere Interveiws, in denen Alice Nkom ihre Arbeit schildert. Alice Nkom verteidigt trotz Morddrohungen und Einschüchterungsversuchen durch Behörden weiterhin LGBTI-Personen vor Gericht. Sie leistet Aufklärungsarbeit bei Veranstaltungen und in den Medien und kämpft so seit Jahren mutig für die Menschenrechte von LGBTI. Weitere Informationen finden Sie hier.
2011: Abel Barrera Hernández, Mexiko
Der Menschenrechtsverteidiger Abel Barrera Hernández und das von ihm gegründete Menschenrechtszentrum “Tlachinollan” aus Mexiko setzen sich seit 1994 für die Rechte der indigenen Bevölkerung im Bundesstaat Guerrero ein. Tlachinollan recherchiert Fälle von ‘Verschwindenlassen’ und von Übergriffen durch das Militär. Mehrere Fälle von Vergewaltigung und Misshandlung durch Soldaten haben die Anwälte des Zentrums bereits bis vor den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte gebracht. Vor der Auszeichnung durch Amnesty war Abel Barrera Hernández bereits ein Jahr zuvor mit dem Menschenrechtspreis der Robert F. Kennedy-Stiftung ausgezeichnet worden. Hernández setzt sich mit seiner Organisation auch weiterhin unermüdlich und unter hohem persönlichen Risiko für die Rechte der indigenen Bevölkerung ein. Weitere Informationen finden Sie hier.
2008: WOZA (Women of Zimbabwe Arise), Simbabwe
Die Menschenrechtsorganisation WOZA setzt sich seit 2003 für die Einhaltung der Menschenrechte und für eine bessere soziale Situation in Simbabwe ein.
Im Jahr 2009 wurde die Organisation mit dem Menschenrechtspreis der Robert F. Kennedy-Stiftung ausgezeichnet. US-Präsident Barack Obama übergab den Preis persönlich an die WOZA-Gründerinnen Jenni Williams und Magodonga Mahlangu. Zudem wurde Jenni Williams im Jahr 2012 mit dem Ginetta Sagan Award von Amnesty International USA ausgezeichnet. Mit dem Ginetta Sagan Award werden Frauen ausgezeichnet und unterstützt, die sich für den Schutz der Freiheit und des Lebens von Frauen und Kindern in Gebieten einsetzen, in denen Menschenrechtsverletzungen weit verbreitet sind. Weitere Informationen finden Sie hier.
Seit der Gründung werden WOZA-Mitglieder, die ihr Recht auf friedlichen Protest wahrnehmen, verhaftet, schikaniert und in Polizeigewahrsam misshandelt. In der Haft wird ihnen oft der Zugang zu Nahrung, Rechtsbeistand und medizinischer Versorgung verweigert. Z.B. organisierte WOZA im September 2013 Demonstrationen in Harare und Bulawayo anlässlich des Weltfriedenstages der Vereinten Nationen. Bei beiden Veranstaltungen wurden viele der WOZA-Mitglieder von der Polizei misshandelt und einige von ihnen verhaftet, darunter auch die Gründerinnen Jenni Williams und Magodonga Mahlangu. Jenni Williams wurde seit Gründung der Organisation über 40 Mal verhaftet. Weitere Informationen finden Sie hier.
2006: Monira Rahman, Bangladesch
Monira Rahman betreut mit ihrer Stiftung “Acid Survivors Foundation” (ASF) Überlebende von Säureattentaten und kämpft für die Ächtung dieser Verbrechen. Ihr ist es gelungen, mit der Stiftung Überlebende aus der Isolation und Opferrolle herauszuholen. Viele der Überlebenden treten inzwischen selbst als Menschenrechtsverteidiger*innen in der Öffentlichkeit auf und fordern Solidarität und Gerechtigkeit. Zudem hat sich die Stiftung für landesweite Erste-Hilfe-Einrichtigungen eingesetzt, durch die Opfer schneller behandelt werden können. 2014 hat Shelina Ahmed die Nachfolge von Monira Rahman in der ASF übernommen. Rahman steht der Stiftung seitdem als Beraterin zur Verfügung und widmet sich neuen Aufgaben. Sie will insbesondere dazu beitragen, dass psychisch Kranke in Bangladesch eine Chance auf medizinische Behandlung erhalten. Weitere Informationen finden Sie hier.
2003: Swetlana Gannuschkina, Russland
Die russische Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina setzt sich schon seit Jahrzehnten für die Menschenrechte und für Schutzsuchende in Russland ein.
Im Jahr 2016 erhielt Swetlana Gannuschkina den Right Livelihood Award. Der Preis wird seit 1980 jährlich von der Stiftung Right Livelihood Award Foundation vergeben und ist auch bekannt als “Alternativer Nobelpreis”. Gannuschkina erhielt den Preis für ihr jahrzehntelanges Engagement für die Menschenrechte und Gerechtigkeit für Geflüchtete und Migranten sowie für die Förderung von Toleranz zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen. Weitere Informationen finden Sie hier.
Swetlana Gannuschkina ist zudem Leiterin der Flüchtlingshilfsorganisation Civil Assistance. Den russischen Angriffskrieg in der Ukraine verurteilt Gannuschkina öffentlich und riskiert damit ihre eigene Sicherheit. Weitere Informationen finden Sie hier.
2001: Eren Keskin, Türkei
Die türkische Anwältin Eren Keskin setzt sich seit drei Jahrzehnten für Menschenrechte in der Türkei ein – und sie kritisiert Menschenrechtsverletzungen. So hat sie sich zum Beispiel für Frauen eingesetzt, die in der Haft sexuell misshandelt und vergewaltigt wurden.
Am 15. Februar 2021 wurde Eren Keskin im sogenannten “Özgür Gündem”-Hauptverfahren in erster Instanz zu sechs Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Bereits davor sind in weiteren der “Özgür Gündem”-Verfahren erstinstanzliche Urteile ergangen. Die dabei verhängten Strafen beliefen sich bis Februar 2021 bereits auf insgesamt 26 Jahre and 9 Monate Haft sowie hohe Geldstrafen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sollte Eren rechtskräftig verurteilt und inhaftiert werden, wäre dies ein schwerer Schlag für den Menschenrechtsschutz in der Türkei und für all diejenigen Opfer von Menschenrechtsverletzungen, denen Eren Keskin zur Seite steht. Weitere Informationen finden Sie hier.
Im Jahr 2023 wurde der Dokumentarfilm “Eren” von Regisseurin Maria Binder veröffentlicht. Der Film porträtiert das Leben und die Arbeit von Eren Keskin und würdigt ihren mutigen Kampf für die Menschenrechte. Weitere Informationen finden Sie hier.